Angehörigen-ProzesseAls 1935 der Hoover Dam südöstlich von Las Vegas fertiggestellt wurde, konnte damit eines der größten Bauvorhaben erfolgreich abgeschlossen werden, das die Vereinigten Staaten bis dahin gesehen hatten. Die Errichtung des Staudamms galt als Meilenstein der Bautechnik und als Vorzeige-Projekt unter dem Zeichen des „New Deal“  des Programms zur Wiederankurbelung der US-Wirtschaft nach der verheerenden Weltwirtschaftskrise.

Ein weniger rühmliches Kapitel sind die Umstände und die Bedingungen, unter denen Tausende Arbeiter das Werk errichten mussten. Sie führten nicht nur zu zahlreichen Todesfällen, sondern auch zu jahrelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen während und nach der Bauphase. Somit gehören die Angehörigen-Prozesse mit zur Geschichte des Hoover Dams.

Ein Vorzeigeprojekt unter höllischen Bedingungen

Mit Baukosten von rund 108 Millionen Dollar (in heutigem Wert etwa zwei Milliarden Dollar) sprengte das Bauprojekt damals alle Dimensionen. Federführend verantwortlich für die Umsetzung war Six Companies, ein Konsortium aus sechs Bauunternehmen. Es beschäftigte in der Bauzeit von 1931 bis 1935 im Schnitt rund 4.000 Arbeiter an der Baustelle, die in drei Schichten rund um die Uhr tätig waren. Insgesamt waren nahezu 16.000 Arbeiter an dem Bau beteiligt. Dadurch konnte das gewaltige Bauprojekt in Rekordzeit und ein Jahr früher als geplant fertiggestellt werden. In der durch hohe Arbeitslosigkeit geprägten Zeit war die Beschäftigungswirkung des Projektes ein Segen. Für die Bauarbeiter und ihre Familien entstand mit Boulder City eine eigene neue Stadt.

Allerdings fand die Errichtung des Staudamms zum Teil unter „höllischen“ Bedingungen statt. Im Sommer erreichten die Temperaturen an der Baustelle bis zu 50 Grad Celsius. Gleich im ersten Sommer starben 16 Bauarbeiter an den Folgen eines Hitzschlags. Insgesamt kamen während der Bauzeit 116 Arbeiter ums Leben – wegen Hitzschlag, Erschöpfung oder Arbeitsunfällen. 42 Arbeiter starben offiziell wegen Lungenentzündung – vermutlich aber infolge von Kohlenmonoxid-Vergiftungen infolge von Fahrzeugabgasen. Sie entstanden beim Tunnelbau im Zuge der Dammkonstruktion durch die in den Röhren umherfahrenden Baufahrzeuge.

Vergebliche Streiks und Angehörigen-Prozesse

Im August 1931 versuchte man, die Arbeiter gewerkschaftlich zu organisieren. Obwohl Six Companies zuvor die Löhne für die Tunnelarbeiter bei dem Projekt herabgesetzt hatte, scheiterte dieser Versuch jedoch an deren mangelnder Beteiligung. Dennoch kam es wegen dieser einseitigen Maßnahme zum Streik, den die Unternehmen mit rechtlichen Mitteln und durch Einstellung neuer Arbeitskräfte bekämpfte. Bei der herrschenden Arbeitslosigkeit war es kein Problem, die Arbeiter zu ersetzen. Auch ein zweiter Streik im Jahre 1935 blieb ohne Erfolg. Auslöser war das Verlangen des Bauunternehmens gewesen, dass die Arbeiter ihr Mittagessen in der Freizeit einnehmen sollten.

Im Zuge der unbefriedigenden Zustände kam es zu zahlreichen Gerichtsprozessen gegen Six Companies. Geklagt wurde u.a,. wegen der zahlreichen Rechtsverstöße und vieler nicht korrekt abgerechneter Überstunden. Das Konsortium ging aus diesen Auseinandersetzungen mit einer im Vergleich zum Auftragsvolumen äußerst bescheidenen Geldstrafe von 175.000 Dollar hervor. Nicht minder enttäuschend verliefen die Angehörigen-Prozesse. In ihnen hatten die Hinterbliebenen der vermutlich an Kohlenmonoxid-Vergiftung verstorbenen Arbeiter versucht, Entschädigungen von Six Companies zu erstreiten. Die Angehörigen-Prozesse führten aber zu jahrelangen Verfahren, in denen die Ansprüche letztendlich abgeschmettert wurden. Six Companies konnte sich mit seiner Auffassung durchsetzen. Damit bleiben die Angehörigen-Prozesse ein dunkler Fleck in der Geschichte des Dammbaus.